17

Beim Abendessen ignorierte mich Max, dafür war Alex so charmant, als hätte es unser Gespräch nie gegeben. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich es abgeklärt, merkwürdig oder bewundernswert finden sollte.

»Noch jemand einen Kloß, Lamm oder Rotkohl?« Adam sah uns vom Herd her der Reihe nach an.

Alex hielt ihm den Teller hin, Max wollte einen Nachschlag, und ich schüttelte den Kopf.

Im Wohnzimmer läutete das Telefon.

»Gehst du bitte ran?«, fragte Adam, und ich nickte.

»Bei Lambert«, meldete ich mich.

»Sind Sie das, Julie?«, fragte eine tiefe, kratzige Stimme, die mir bekannt vorkam, die ich jedoch nicht einordnen konnte. »Felix Kortner hier.« Es folgte eine kurze Pause. »Hauptkommissar Kortner. Sie erinnern sich?«

»Ja«, sagte ich. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich muss Sie morgen früh dringend sprechen. Allein. Nur wir zwei.«

Meine Hand umklammerte den Hörer eine Spur fester. »Weshalb?«, fragte ich.

»Passt es Ihnen gegen zehn? Ich hole Sie ab.«

»Ich würde gern wissen, weshalb«, beharrte ich.

»Hören Sie. Ich will nicht unhöflich sein, aber das, was ich mit Ihnen zu besprechen habe, sollten wir besser nicht am Telefon tun.«

»Ich hätte trotzdem gern einen Anhaltspunkt.«

»Sie waren heute bei Koslowski.«

»Sie meinen damit aber nicht zufällig den Ordner, oder?«

Wie schnell neue Nachrichten in dieser Kleinstadt doch die Runde machten. Natürlich hatten mich sowohl die Polizisten als auch die Dorfbewohner mit dem Ordner unter dem Arm aus dem Haus kommen sehen.

»Lassen Sie uns morgen darüber reden. Es ist schon spät. Ich hole Sie morgen früh ab. In Ordnung?«

»Nein«, sagte ich.

»Von Kooperation halten Sie wohl immer noch nichts, was?«

»Mit Ihnen?«

»Ich möchte Ihnen etwas mitteilen, und es wäre besser, wenn Sie es sich anhören.«

Ich schwieg einen Moment.

»Bitte«, drängte Kortner. »Es ist wichtig.«

»Also gut.«

»Ich hole Sie um zehn ab.«

Er wünschte mir einen angenehmen Abend und legte auf.

»Wer war’s?«, fragte mein Vater, als ich zurück in die Küche kam.

»Kortner«, sagte ich. »Er will mich morgen früh treffen. Es geht um Koslowski.«

Adam fragte nicht weiter, und ich war dankbar dafür. Ich liebte meinen Vater aus vielerlei Gründen. Einer war seine Diskretion. Als Leo in der Pubertät war, hatte er sie als Gleichgültigkeit missverstanden und sich mürrisch von ihm abgewandt. Doch Adam war nicht gleichgültig. Wir – seine Familie – waren immer das Zentrum seines Lebens. Er mochte nur niemanden durch zu viel Neugierde bedrängen und besaß die Gabe, darauf zu warten, bis wir uns ihm freiwillig anvertrauten.

»Ich habe Leos Zimmer aufgeräumt und für Max geheizt«, sagte mein Vater nach dem Essen. »Du musst nur die Wärmflasche mit nach oben nehmen.«

»Leos Zimmer?« Ich sah zu Max, der gerade sein Glas Milch abstellte. Ein Milchbart lag über der Oberlippe. Ich zeigte mit meinem Finger auf meine eigene, und er wischte sich mit dem Ärmel des Fleecepullis über den Mund.

»Es bringt doch nichts, das Zimmer unbenutzt zu lassen, und jetzt, wo Eddie nicht mehr bei uns ist …« Die Stimme meines Vaters trug den Satz durch die Küche, wurde brüchig und brach ab.

Ich wusste auch so, was er sagen wollte. Nachdem mein Bruder verschwunden war, hatte meine Mutter dieses Zimmer verschlossen, und bis zu ihrem Tod durfte es außer ihr niemand mehr betreten, als würde jeder Schritt von uns anderen die heiligen Erinnerungen entweihen.

»Au klasse, das Bodenzimmer.« Max grinste breit, was eine Zahnlücke entblößte. Vor Freude vergaß er, dass er böse auf mich war, und plapperte einfach drauflos.

Ein Lächeln huschte in die müden Züge meines Vaters, und er sah von einem zum anderen. Wie früher saßen wir wieder zu viert am Tisch. Alex saß auf Eddies Platz, Max auf Leos. Mit den grauen Augen und den strubbeligen braunen Haaren sah Max Leo nicht nur ähnlich. Je älter er wurde, desto mehr erinnerten mich auch seine Gesten an die meines Bruders.

Max erzählte, dass sein Freund Felix heute in der Schule eine Fünf in Betragen erhalten hatte, weil er unter der Bank einen Comic gelesen hatte. Der Mathelehrer hätte es bemerkt und wäre mit hochrotem Kopf auf Felix zugestürzt, der das Heft nicht schnell genug hätte verschwinden lassen können. Ich sah Max zu, wie er wild gestikulierte, die Augen weit aufgerissen, und die Zahnlücke beim Erzählen entblößend. Mein Vater lachte leise, Alex grinste – und ich war überwältigt. Das passierte mir manchmal, wenn ich Max bei ganz alltäglichen Dingen zuschaute. Wenn er sich hingebungsvoll die Zähne putzte oder nachts unter seiner Decke schlief und ihm das wirre Haar ins Gesicht fiel, oder wenn er versunken am Computer saß und Spielfiguren durch virtuelle Welten jagte. Ohne besonderen Anlass konnte es dann geschehen, dass ich überwältigt war von Liebe und wusste, dass dieser Junge der wahre Grund war, weshalb ich Tag für Tag voller Freude aufstand, meinen Job machte und mich danach sehnte, abends wieder heimzukommen. Manchmal bekam ich es dann mit der Angst zu tun, weil alles im Leben endlich war und man nichts und niemanden auf Dauer halten konnte. Und weil manches durch einen zu frühen Tod zu früh endete.

Ich dachte daran, wie mein Vater damals in seiner Praxis Plakate gebastelt hatte, mit denen er über die Dörfer gefahren war und die er überall aufgehängt hatte. »Gesucht wird Leo Lambert«, hatte darauf gestanden und: »Melde dich!« Mein Vater mit dem großen Herzen, der Gerechtigkeit gewollt hatte und nicht daran glauben konnte, dass sein Sohn ein Mörder war. Ebenso wenig wie ich. Meine Mutter hatte sich nie daran beteiligt, und als er zu seiner ersten Tour in seinem braunen Wartburg-Kombi aufbrach, war es eines der seltenen Male gewesen, dass ich meine Eltern lautstark streiten hörte. Er solle Leo in Frieden lassen, hatte meine Mutter gebrüllt. Es würde niemandem helfen, wenn er zurückkäme. Es sei geschehen, und er solle froh sein, dass Leo entkommen konnte. Ihr Sohn würde in diesem Staat nie einen fairen Prozess bekommen.

Auch ich hatte meinen Bruder gesucht. Nachdem ich die ersten Tage im Bett verbracht hatte, war ich irgendwann aufgestanden und mit dem Fahrrad an Leos Lieblingsplätze gefahren. Nur in den alten Wehrmachtstunneln hatte ich nicht nachgeforscht. Ich hatte nicht gewagt, ins Sperrgebiet zu fahren, und ich hatte auch keine Ahnung, wo sie lagen.

Auf der Suche nach einem Zeichen von ihm recherchierte ich noch Jahre später im Internet. Manchmal hasste ich Leo für das, was er uns angetan hatte. Doch mitunter dachte ich inzwischen, es war gut, dass er verschwunden war und uns allen einen Prozess erspart hatte. Was hätte der auch bringen sollen außer einer Verurteilung wegen Mordes, wie Kortner es vorbereitet hatte? Denn daran hatte es für mich nie einen Zweifel gegeben. Es mochte ein Unfall gewesen sein, und einiges sprach dafür. Doch Kortner hätte ihn wegen Mordes vor Gericht gebracht. Ich hatte nur nie verstanden, warum dieser Mann so besessen davon war, meinem Bruder einen Mord anzuhängen.

Ich stand vom Tisch auf, füllte heißes Wasser in die alte, kupferne Wärmflasche, umwickelte sie mit einem Frotteehandtuch und folgte Max die Treppe hinauf in die erste Etage. Ich lief am Schlafzimmer meiner Eltern und an meinem Zimmer vorbei und stieg am Ende des Flurs die knarrende Stiege zum Dachboden hinauf.

Meine Schritte wurden langsamer, fast unsicher.

Vor der Tür blieb ich stehen, und Max drängelte sich aufgeregt an mir vorbei.

»Cool.« Erst warf er den Rucksack und dann sich selbst auf Leos Bett. Die altersschwache Federung knackte und stöhnte zum Erbarmen.

Ich sah mich um. Aus jedem Winkel atmete Leos Geist, als hätte er das Zimmer nie verlassen. Leichtathletikpokale standen in den oberen beiden Fächern eines Wandregals, die anderen füllten Science-Fiction-Taschenbücher. Auf dem Schreibtisch lagen Stifte ordentlich in einer Schale, umgeben von schlichten Silberrahmen, die meine Mutter nach Leos Flucht aufgestellt hatte. Auf allen Fotos lachte er mir entgegen: Leo strahlend auf dem Siegertreppchen bei einer Bezirksmeisterschaft, Leo lächelnd nach einem Schwimmwettbewerb, Leo grinsend beim Abiturball, Leo in die Kamera winkend beim Grillen. Es waren Fotos von einem jungen Mann, bei dem Frauen dahinschmolzen und Männer manchmal mit Sympathie, oftmals aber auch mit Neid reagierten. Immer ein bisschen zu selbstbewusst und mitunter fast großspurig lächelte Leo in die Kameras, die sich auf ihn richteten. Er wirkte stets wie einer jener Glückspilze, die mit jungenhaftem Charme lässig durchs Leben glitten und nichts anderes kannten als ihr Vergnügen und eine nie endende Geschichte sich aneinanderreihender Siege. Doch so geradlinig, wie diese Fotos erzählten, war Leos Leben nicht verlaufen.

Ich scheuchte Max ins Bad und stopfte die kupferne Wärmflasche unter die klamme Bettdecke. Mein Vater hatte die altersschwache Heizung bereits mittags hochgedreht, doch der Raum verteidigte die Kälte wie eine Festung.

Ich setzte mich auf die Kante des Bettes, in dem ich unzählige Abende neben Leo gelegen und ihm von meinem Tag erzählt hatte. Immer hatte es nach Lavendel, Rosmarin und Rosen gerochen wie in all unseren Betten, Kommoden und Schränken. Ich nahm das Kopfkissen in die Hand und drückte mein Gesicht hinein, als könnte ich eine Spur aufnehmen, die mich zurück zu glücklichen Tagen führen würde.

Es gab keine Spur mehr. Nicht von Leo und nicht von Eddie. Wie auch? Eddie hatte ihre kleinen, spitzenbesetzten Baumwollkissen in den alten Wäscheschränken und zerkratzten Kommoden im vergangenen Sommer kaum mehr mit den getrockneten Blüten und Kräutern füllen können, und ich fragte mich, ob sie es vermisst hatte und was sie sonst noch so vermisst hatte – außer Leo natürlich, nach dem sie sich verzehrt hatte und dessen Abwesenheit einen so großen Raum in ihr eingenommen hatte, dass es für mich, der Anwesenden, jederzeit Verfügbaren, keinen Platz mehr gegeben hatte. Manchmal, wenn ich zu Besuch kam und wir zu dritt zu Abend aßen, ertappte ich sie dabei, wie sie mich musterte. Nicht liebevoll und dankbar, dass es mich gab, sondern eher so, als fragte sie sich insgeheim, weshalb ich an diesem Tisch ihr Brot aß – und nicht Leo. Vielleicht hätte ich dem keine Bedeutung beimessen sollen, doch es hatte mich verletzt. Sie hatte ihren Sohn verloren, ich meinen Bruder und meinen Freund. Ich war ebenso verzweifelt wie sie, und ich hätte Trost und Liebe gebraucht.

Doch die tröstenden Küsse und Umarmungen in jener ersten Nacht nach der Tragödie waren alles, was meine Mutter mir geben konnte. Ein paar Tage nach Leos Flucht verlangte sie von mir, dass ich sie Eddie nannte und sie so behandelte wie jeden anderen Erwachsenen. Es schien mir, als sollte dieser Akt besiegeln, dass sie mir als Mutter nicht mehr zur Verfügung stand.

Lange Zeit lastete auch dieser Schatten auf mir, und vielleicht war die emotionale Kälte, die sie mir gegenüber entwickelte, mit ein Grund, weshalb ich nur noch selten und immer nur kurz bei meinen Eltern vorbeischaute. Doch vor jenem verhängnisvollen Sommer hatte es die andere Eddie gegeben, die Eddie, die ich liebte und verehrte wie keine Zweite und die auch mich geliebt hatte.

Ich erinnerte mich daran, wie meine Mutter jeden Abend zuerst zu mir und dann hinauf zu Leo gegangen war, um uns einen Gutenachtkuss zu geben und um Leo im Winter dieselbe kupferne Wärmflasche zu bringen, die ich nun für Max ins Bett gelegt hatte.

Die Erinnerung beschwor Eddies flüchtige Küsse auf meinen Wangen so lebendig, als sei es eben erst geschehen, und ich nahm ihren Geruch nach der selbstgemachten Rosen- und Lavendelseife mit einer so beklemmenden Intensität wahr, als säße sie neben mir.

Als Kinder hatten Leo und ich ihre Küsse geliebt, doch später war es uns lästig und unseren Freunden gegenüber peinlich geworden. Sie überfiel uns mit ihren Küssen, bevor wir morgens das Haus verließen, und sie küsste uns vor allen anderen, wenn sie uns von der Schule abholte. Es gab einen Abschiedskuss, wenn wir zum Spielen gingen, und einen zur Begrüßung, wenn wir heimkehrten. Es gab einen Gutenmorgenkuss noch im Bett und einen Gutenachtkuss, einen Freudenkuss, einen Vergebungskuss, einen »Ach, nicht so schlimm«-Kuss und einen »Weg ist der Schmerz«-Kuss.

Ich ließ es gnädig über mich ergehen. Leo verdrehte die Augen, und als er zwölf wurde, stieß er sie das erste Mal mit ganzer Kraft zurück, als sie ihn auf seinem Geburtstagsfest vor seinen Freunden umarmte und küssen wollte. »Hau ab«, zischte er und lief vor Wut rot an.

Eddie hatte ihn weniger betreten als vielmehr fasziniert angesehen, bevor sie zurück ins Haus gegangen war. Am nächsten Morgen küsste sie uns beide wieder so gut gelaunt und selbstverständlich, als hätte es die Szene am Vortag nicht gegeben.

Wenn Leo jemals zurückgekommen wäre, hätte sie ihn wieder genauso geküsst und umarmt – und mich vielleicht auch.

Aber er war nicht zurückgekommen.

Als Charles starb und Leo verschwand, verschwand auch ein Teil von ihr. Die Fröhlichkeit und Energie, die Eddie all die Jahre so selbstverständlich über uns versprüht hatte, welkte dahin, und sie bekam etwas Teilnahmsloses, fast Somnambules. Es gab Tage, da kehrte sie meinem Vater und mir den Rücken, verzog sich in ihr Schlafzimmer, ließ die Jalousien herunter und war weder für Adam noch für mich ansprechbar. Ich studierte bald darauf in Leipzig und fuhr nur selten nach Hause, doch wenn ich kam, erwartete mich nur der flüchtige Schatten meiner früher so temperamentvollen Mutter. Es war eine Form schleichender Selbstzerstörung, und sie mit anzusehen war mitunter qualvoller als das Wissen um Charles’ Tod und Leos Schuld.

Max war es später manchmal gelungen, sie zumindest stundenweise aus ihren Depressionen zu reißen und ihr ein Lächeln zu entlocken. Ich hätte mir einreden können, dass es an seiner außergewöhnlichen Freundlichkeit und Offenheit lag. Doch es war viel einfacher. Max erinnerte sie an Leo – und dieser Umstand allein barg das Geheimnis, dass er selbst in ihren düstersten Stunden zu ihr durchdrang.

Und Lauren. Sie hatte es auch geschafft. Das hatte mir Adam erzählt. Immer wenn Lauren kam, überzog ein Lächeln Eddies Gesicht, und ich fragte mich an diesem Abend, weshalb selbst Lauren etwas Freundliches in meiner Mutter berührt hatte und nicht ich. Es war eine dieser Fragen, auf die es keine Antwort gab.

Ich lauschte den Geräuschen aus dem Badezimmer. Max stellte gerade die Dusche ab. Kurz darauf hörte ich die elektrische Zahnbürste.

Schließlich lagen Max und ich wie jeden Abend zusammen unter der Bettdecke, ich links, sein schwarzer Kuschelpanther Jack rechts, und lauschten einem Kapitel von »Harry Potter und der Orden des Phönix«. Den Panther hatte ihm Eddie zu seinem zweiten Geburtstag geschenkt. In der Zwischenzeit hatte er seine grünen Glasaugen verloren, und Eddie hatte neue aus grünen Kreuzen gestickt. Seither schielte Jack, aber Max liebte ihn nur umso mehr und fuhr nirgends ohne ihn hin.

Während mein Sohn hellwach den Abenteuern seiner Lieblingshelden lauschte, fielen mir die Augen zu.

In den ersten Jahren hatte ich ihm selbst vorgelesen, doch später kaufte ich Hörbücher. Seitdem dämmerte ich zwischendurch weg, während Max nicht eine Sekunde verpasste. Er war so. Seine Abenteuerlust war unstillbar. Auch darin ähnelte er meinem Bruder, und manchmal machte mir das Angst.

Das Kapitel war zu Ende, und er zupfte an meinem Arm. Ich öffnete verschlafen die Augen, und er bettelte um ein weiteres Kapitel. Trotz meines schlechten Gewissens blieb ich standhaft. Erziehung muss sein, und mittlerweile war es weit nach neun. Max fügte sich widerwillig, und dann unterhielten wir uns noch. Auch das gehörte zu unserem abendlichen Ritual.

»Gibt es außer Felix noch etwas Neues in der Schule?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf.

»Hast du deine Mathearbeit schon zurück?«

Wieder schüttelte er den Kopf, und mehr war ihm nicht zu entlocken, egal, was ich noch fragte.

Dieser Dickschädel. Auch darin ähnelte er Leo. Leo war großzügig, großmütig und ein Dickkopf, allerdings einer, der einem nichts nachtrug.

Max war immer noch gekränkt, und seine Freundlichkeit während des Abendessens hatte nicht mir gegolten, sondern allein seinem Großvater.

Mit meiner Erziehung kam ich gerade nicht weiter, und so fragte ich ihn, ob er Lust hätte, am Sonntagnachmittag ins Kino zu gehen.

»In Rango?« Seine Augen strahlten erwartungsvoll. Er hatte sich im Internet die Trailer heruntergeladen und freute sich seit Wochen auf das Chamäleon, das vom Leben in der Wüste keine Ahnung hatte, aber durch das Schicksal und seine große Klappe in einem Wüstenkaff zum Sheriff wurde.

Ich nickte.

»Toll.« Er gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich roch seinen Pfefferminzatem, unter dem der süßliche Vanilleduft des Kinderduschgels lag.

»Gute Nacht, Mama«, sagte er friedfertig.

Mein Herz bekam Flügel, ich lächelte und war glücklich, dass wir uns wieder vertragen hatten. Mit Alex ging das nicht so leicht.

Auch während wir uns später in der Küche noch lange mit meinem Vater über alles Mögliche und natürlich auch über mein Gespräch mit Koslowski unterhielten, blieb die Stimmung zwischen uns gedrückt.